Buch Bildersturm und stramme Haltung

Texte 1968 bis 1996

Bildersturm und stramme Haltung - Titelseite
Bildersturm und stramme Haltung - Titelseite

Bazon Brock steht mit seinem Denken und Schreiben für die Erhaltung des Momentums der Moderne in postmoderner Zeit ein, in unübersichtlichen Lagen, in dekonstruierten Räumen. Moderne ist dabei in des Wortes striktester Bedeutung zu fassen, als radikale Entfernung tradierter Wurzeltriebe ohne funktionalen Wert. Dazu gehört in erster Linie die Verabschiedung von der Würdeformel Kunst als unangreifbarer Kategorie des theologisch Transzendenten, mindestens des bewundert Erhabenen; das umfaßt aber auch die Einbindung eines jeden ästhetischen Gegenstands in das Schreiben , und sein er noch so banal und alltäglich. Schon die Differenzierung der beiden letzten Begriffe – daß das Banale nicht unbedingt alltäglich und das Alltägliche schon gar nicht banal sei – formt ein Perpetuum mobile unter vielen im Brockschen Denken.

Erschienen
2001

Autor
Brock, Bazon

Herausgeber
Sachse, Rolf

Verlag
Verl. der Kunst, Philo Fine Arts

Erscheinungsort
Dresden, Deutschland

ISBN
3364003955

Umfang
223 S. ; 17 cm

Einband
Pp. : EUR 15.00

2.2.2..2.2.3 Der Bilderkampf unter dem Gesichtspunkt des christologischen Streits

Nachdem KONSTANTIN den politischen Vorteil des Christentums als Staatsreligion erkannt hatte, mußten die Glaubensaussagen nun in einer Weise vereindeutigt werden, wie das bis dahin nur in dem herkömmlichen System der Normativität, dem römischen Recht, der Fall gewesen war. Auf dem ersten Konzil von Nicea 325 wurden die Verfahrensweisen der hochentwickelten Rechtswissenschaft auf den neuen, für das staatliche und soziale Leben der Mitglieder des Reichs entscheidenden Lebenszusammenhang, den christlichen Glauben, angewandt. Nur durch diese Übertragung ist die kurzfristige Entwicklung einer leistungsfähigen Theologie zu verstehen. Die Theologie beerbte die Rechtswissenschaft. Das gilt bis in die konkrete Praxis der Rechtsprechung, die Bischöfe wurden nämlich als Gerichtsherren eingesetzt. Der wesentliche Erörterungspunkt von theologischer Bedeutung war 325 ein Jota, nämlich jenes Jota, das die Begriffe homoousia und homoiousia unterscheidet. Die ARIANER behaupteten das Jota und damit, daß Christus nicht Gott gleich, nicht ewig sei. Die Anhänger des ATHANASIUS verzichteten auf das Jota und behaupteten damit, daß Christus Gott gleich sei. Die Frage, ob der Mensch gewordene Christus mit seiner Geburt durch eine Frau mehr hat sein können als ein Mensch, verweist zurück auf die TERTULLIANische Frage nach dem Wesen des Geschaffenen. Hier wird bereits Werden und Entstehen, also menschliches Arbeiten dem Schöpfungsakt des Ursprungs entgegengestellt. Schöpfung und Arbeit sind vom 1. Niceanum ab nicht mehr miteinander versöhnbar gewesen. (Selbst der Geniekult des 18. Jahrhunderts, der eine solche Versöhnung beabsichtigte, ist über eine oberflächliche Verdeckung des Widerspruchs von Arbeit und Schöpfung nicht hinausgekommen.)
Es sei aufmerksam gemacht auf eine entscheidende Umkehrung des Entwicklungsgedankens, die sich damals vollzog. War bisher Menschwerdung Christi als ein Herabsteigen des Höheren auf die Ebene menschlicher Existenz verstanden worden, so konnte jetzt die Menschwerdung Christi im Sinn der Sozialisation, also der Entwicklung eines Menschen bis zum Entfaltungsgrad der Persönlichkeit Christi verstanden werden. Der Streit um die Natur des Logos (Christus) ist über den Ausgang von 325 noch erheblich hinausgegangen. Die monophysitische Lehre, die die eine Natur Christi betonte, modifizierte sich dahin, daß die göttliche Natur Christi seiner menschlichen gegenüber Vorrang habe. Die Lehre von der Dyophysis Christi wurde von dem Historiographen NESTORIUS zu einer hieb- und stichfesten Lehre ausgebaut. Der Kampf um die Natur des Logos konnte erst durch LEO I. wenigstens mit einer gewissen abschlußhaften Formel stillgestellt werden. Sie lautet, zwar sei Christus nur eine Person, die aber zwei Naturen habe.

Bei der Höhe der Reflexion und dem Grad ihrer Abstraktheit verwundert es nicht, daß sich die wissenschaftlichen, also theologischen Argumente nur schwer in der kirchlichen Praxis durchsetzen ließen, auch wenn durch die Verbreitung des Pergamentbuches im 4. Jahrhundert dafür gute Voraussetzungen bestanden. Es bedurfte erst eines drastischen Vorgehens gegen die bloß oberflächliche Umwandlung heidnischer in christliche Kulte. 390 wurde mit dem Blutbad von Thessaloniki ein Exempel statuiert. 391 mußte dann in einem groß inszenierten Akt das Christentum als Staatsreligion verordnet werden. Wie schwierig die Durchsetzung des wissenschaftlich abstrakt Erarbeiteten gewesen sein muß, geht unter anderem daraus hervor, daß selbst die Olympischen Spiele 394 verboten wurden und schließlich sogar die Akademie von Athen nach tausendjährigem Bestehen geschlossen wurde.

Nach diesen kurzen Hinweisen auf die Ausgangslage des Bilderkriegs will ich nun auf die eigentliche Auseinandersetzung eingehen; ich verkürze die Positionsdarstellung auf die Lage, wie sie 754 bestand.